veröffentlicht am 29.08.2017 „Eine Gebietsreform kann weite Wege zur Justiz zur Folge haben.“

Pressemitteilung der Rechtsanwaltskammer Thüringen vom 25.08.2017

Richterbund und Anwalts­organisationen befürchten Ein­sparungen an Gerichten im Freistaat

Die Rechtsanwaltskammer Thüringen, der Thüringer Anwaltsverband im Deutschen Anwaltverein (DAV)und der Thüringer Richterbund befürchten durch die anstehende Verwaltungs- und Gebietsreform große Einschränkungen der Justiz im Freistaat. Die aktuellen Äußerungen aus der Regierungskoalition erwähnen erstmals auch die Überlegung, die Gerichtsstruktur ebenfalls in die Reformbemühungen einzubeziehen. Bisher seien zwar noch keine konkreten Planungen für Veränderungen bei den Gerichtsstandorten bekannt, dennoch sei aus Kostengründen auch damit zu rechnen.

Jan Helge Kestel, Präsident der Rechtsanwaltskammer Thüringen, befürchtet durch eine solche Gerichtsneuordnung erhebliche Nachteile für Rechtsanwälte und deren Klienten: „Mit einer derartigen Reform würde der Zugang zum Recht für viele Bürger erschwert werden, wobei besonders die Amtsgerichte betroffen wären. Also jene Gerichte, an denen man auch ohne einen Anwalt seine Rechte verfolgen kann.“ Kestel befürchtet, dass längere Wege zu den Amtsgerichten diese Möglichkeit unzumutbar erschweren würden. Es sei aber auch zu erwarten, so Rechtsanwalt Marcello Di Stefano, Vorsitzender des Thüringer Anwaltsverbandes, dass viele Anwälte aus dem ländlichen Raum ihre Kanzleien aus wirtschaftlichen Gründen in die Nähe der neuen Gerichtsstandorte verlegen müssten und damit für den Verbraucher in der Fläche weniger Rechtsrat vor Ort zur Verfügung stünde.

Einen erheblichen Nachteil für die Justiz sieht auch Holger Pröbstel. Der Vorsitzende des Thüringer Richterbundes befürchtet, dass für viele Rechtsersuchen die Hemmschwelle beträchtlich angehoben würde. Pröbstel sieht dadurch die Bürgernähe der Justiz gefährdet: „Weitere Wege bedeuten immer eine zusätzliche Belastung für Bürger und Justizangehörige. Das kann aber eigentlich keiner wollen.“

Als „abschreckendes Beispiel“ bezeichnen Kestel, Di Stefano und Pröbstel unisono die 2011 in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführte Gerichtsreform. „Dort gibt es inzwischen gerichtliche Zuständigkeitsgebiete, die größer als das Saarland sind“, berichtet Pröbstel.